Impulsabend: Pariser Klimaziele und nachhaltiger Konsum
Am 16. September 2024 lud die Stadt St.Gallen im Rahmen der St.Galler Klimawoche 2024 zu einem Impulsabend im Kulturmuseum ein. Die Veranstaltung bot spannende Vorträge von Prof. Dr. Nicolas Gruber von der ETH Zürich und Prof. Dr. Johanna Gollnhofer von der Universität St.Gallen sowie lebhafte Diskussionen rund um die Themen Klimawandel, nachhaltiger Konsum und die Fortschritte des Energiekonzepts 2050 der Stadt St.Gallen.
Den Abend eröffnete Peter Jans, Stadtrat und Direktor der Technischen Betriebe, mit einem eindringlichen Appell zur Dringlichkeit des Klimaschutzes. "Jeder Beitrag zählt, und nur gemeinsam können wir einen relevanten Unterschied machen", so Peter Jans.
Im Anschluss gab Tobias Fischer-Künzler, der durch das Programm führte, eine Frage ins Publikum: "Was beschäftigt Sie in Zusammenhang mit dem Klimawandel am meisten?" Das entstandene Stimmungsbild zeigte deutlich, dass vor allem Extremereignisse und die Klimamüdigkeit Sorgen bereiten.
Sind die Pariser Klimaziele noch erreichbar?
Prof. Dr. Nicolas Gruber von der ETH Zürich, ein führender Experte für Umweltphysik und Leiter des Departments für Umweltsystemwissenschaften, widmete sich der Frage: "Pariser Klimaziele – ist der Zug schon abgefahren?" Gruber, dessen Forschung sich auf die globalen Kohlenstoffkreisläufe und den Einfluss menschlicher Aktivitäten auf das Klimasystem konzentriert, machte deutlich, dass die globale Erwärmung bereits die 1,5-Grad-Marke überschritten hat und 2024 das wärmste Jahr in der Geschichte werden könnte. Dennoch gibt es laut Gruber noch Hoffnung: Die Energiesysteme befinden sich im Wandel, und erneuerbare Energien wachsen weltweit.
Seine Forschung zeigt jedoch auch, dass die CO₂-Emissionen weiterhin steigen und das verbleibende Kohlenstoffbudget für das 1,5-Grad-Ziel nahezu aufgebraucht ist. Um das 2-Grad-Ziel noch zu erreichen, sind grosse, rasche Investitionen und technologische Fortschritte notwendig. Gruber betonte in seinem Vortrag die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit und technologischer Innovationen, um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, wie es bereits mehr als 180 Länder weltweit anstreben. Als einer der Mitwirkenden eines IPCC-Sonderberichts hob er hervor, dass es trotz der Herausforderungen realistisch sei, die Erwärmung unter 2 Grad zu halten, wenn jetzt konsequente Massnahmen ergriffen werden.
Nachhaltiger Konsum: Verhalten verstehen und verändern
Prof. Dr. Johanna Gollnhofer, Associate Professor für Marketing an der Universität St.Gallen, sprach in ihrem Vortrag darüber, wie man nachhaltiges Konsumverhalten fördern kann. Gollnhofer, die sich in ihrer Forschung intensiv mit Konsumverhalten, Marktveränderungen und gesellschaftlichem Wandel beschäftigt, betonte, dass Konsumentinnen und Konsumenten oft widersprüchlich handeln: Sie erkennen die Notwendigkeit von Nachhaltigkeit, entscheiden sich jedoch oft nicht entsprechend. Sie sieht drei Gruppen in der Bevölkerung – die Öko-Fans, die Öko-Muffel, und die 60% potenziell Interessierten. Um Verhaltensänderungen in Richtung Nachhaltigkeit zu erreichen, muss die Gruppe der 60% erreicht werden resp. Produkte und Massnahmen sollten danach ausgerichtet werden.
Ein zentrales Thema von Gollnhofers Forschung ist es, die Barrieren zu verstehen, die nachhaltiges Verhalten verhindern, und Unternehmen Strategien an die Hand zu geben, wie sie dieses Verhalten positiv beeinflussen können. Dabei hebt sie hervor, dass Konsum nicht als Verzicht empfunden werden sollte. Stattdessen plädiert sie dafür, nachhaltige Produkte emotional und alltagsnah zu vermarkten, ohne den Nachhaltigkeitsaspekt in den Vordergrund zu stellen. So könne man grössere Zielgruppen ansprechen.
Ihrer Meinung nach liegt der Schlüssel darin, nachhaltige Produkte attraktiv zu gestalten, sodass sie nicht nur ökologische, sondern auch persönliche Bedürfnisse ansprechen. Gollnhofer fordert Unternehmen auf, kreative Wege zu finden, um Nachhaltigkeit als Lifestyle zu positionieren – ähnlich wie es Tesla oder der Glacehersteller Ben & Jerry’s tun.
Energiekonzept 2050: Gemeinsam zur Klimaneutralität
Karin Hungerbühler, Co-Leiterin von Umwelt und Energie Stadt St.Gallen, präsentierte den aktuellen Stand des Energiekonzepts 2050. Es hat die vollständige Dekarbonisierung bis 2050 zum Ziel und setzt dabei auf einen umfassenden Ansatz.
Neben den Bereichen Wärme, Strom und Mobilität wurde das Konzept jüngst um den Bereich Konsum und Ressourcen erweitert. Ziel ist es, nicht nur direkte Emissionen, sondern auch die durch Konsum verursachten indirekten Emissionen deutlich zu verringern.
Positive Kommunikation und gemeinsames Handeln entscheidend
In der abschliessenden Diskussion waren sich die Referierenden einig: Der Weg zur Klimaneutralität ist lang, aber machbar. Wichtig ist es, die breite Masse mitzunehmen und die Vorteile von nachhaltigem Handeln positiv zu kommunizieren. "Die Herausforderungen sind gross, aber es ist noch nicht zu spät. Gemeinsam können wir die notwendigen Veränderungen herbeiführen“, fasste Peter Jans zum Abschluss zusammen.
Der Impulsabend bot reichlich Stoff für angeregte Gespräche, die beim anschliessenden Apéro weitergeführt wurden.
Nicolas Gruber, ETH Zürich, und Johanna Gollnhofer, Universität St.Gallen.